Von grenzenlosen Möglichkeiten und fehlendem Mut – Sebastian Dost über die Zukunft von eHealth

Wird eHealth unser Gesundheitswesen wirklich revolutionieren und wann gelingt der Durchbruch? Regelmäßig diskutieren wir mit Experten über diese Fragen. Heute mit: Sebastian Dost.

Herr Dost, für die meisten Experten ist eHealth alternativlos. Trotzdem sieht es in der Praxis oft anders aus. Was denken Sie: Wird sich eHealth in Pflege und Gesundheit in Kürze flächendeckend durchsetzen oder bleiben Pflege und Gesundheit Systeme, in denen Wandel nur schleichend seinen Durchbruch findet?

Das Thema eHealth wird seit mehr als 10 Jahren von der Bundesregierung bzw. dem Gesundheitsministerium sowie den einzelnen Fachverbänden und staatlichen Einrichtung bearbeitet, jedoch bislang ohne bahnbrechende Optimierungen für das deutsche Gesundheitswesen und deren Versorgungsstrukturen. Zwar haben wir seit 2015 das eHealth-Gesetz verabschiedet bekommen, das die eHealth-Applikationen bzw. -Anwendungen wie z.B. eArztbrief oder auch die ePA manifestieren sollte, aber die Realität sieht anders aus: nur vereinzelte Projekte und Umsetzungen. Also der große Wurf blieb damit aus… Ein weiterer Anlauf zur flächendeckenden Digitalisierung soll nun mit dem DVG (Digitale Versorgung Gesetz) stattfinden.

Die eHealth-Applikationen werden sich meiner Meinung nach zwangsläufig im deutschen Gesundheitswesen etablieren. Unter anderem aufgrund des zunehmenden Fachkräftemangels (Ärzte und Pflege) werden die Bedingungen für die jeweiligen Gesundheitsversorger (Krankenhäuser und Niedergelassene) zwangsläufig schlechter. Der Fachkräftemangel ist zwar nur eine Facette des großen Dilemmas im deutschen Gesundheitswesen, aber ein gravierender und deshalb müssen die Versorgungsprozesse durch eHealth-Lösungen unterstützt oder auch optimiert werden.

Ich denke, dass dadurch auch eine große Chance für viele Applikationen entsteht, wenn diese auch die Prozesse der jeweiligen Beteiligten bzw. Dienstleister signifikant verbessern. Ich denke da z.B. an weitere Telemedizin-Applikationen für den konkreten Ärztemangel in Flächenländern („auf dem platten Land“) oder auch an Informations- und Dokumentationsapplikationen (auf dem Tablet / Smartphone bzw. auf dem mobilen Visitenwagen mit WLAN-Anbindung) für Pflege und Ärzte im Krankenhaus.

Die Ideen und Möglichkeiten für jeden Bereich der Gesundheitsversorgung sind fast grenzenlos und es sollten mehr und mehr Firmen und Leute den Mut haben, diese dem „Markt“ vorzustellen.

In welchem medizinischen Bereich sehen Sie den größten Nutzen von eHealth?

eHealth beschreibt in erster Linie den Einsatz digitaler Technologien, die im Gesundheitswesen verwendet werden, um Informationen oder Daten in den jeweiligen Gesundheitsdienstleistungen oder -versorgungen „just-in-time“ zur Verfügung zu stellen.

Deshalb denke ich, dass in jedem medizinischen Bereich sehr gute Chancen vorhanden sind, dass durch eHealth-Applikationen auch signifikante Verbesserungen für alle Beteiligten in der Gesundheitsversorgung, als auch für den Patienten hervorgehen.

Ein einfaches Beispiel: Den derzeit größten Nutzen sehe ich, da bereits regelhaft eingesetzt, im Telekonsil zwischen Fachärzten. Konkret: Ein Experte (Facharzt) wird zu einer bestimmten Patienten-Indikation durch ein Telekonsil beim Patientengespräch, zwischen beteiligten Haus- oder Facharzt und dem Patienten, dazugeschaltet und kann seine Einschätzung zum Sachverhalt vortragen. Dadurch spart sich der Patient unter Umständen zusätzliche Wege und hat sofort eine weitere Meinung zu seiner Indikation.

Wie arbeiten Sie persönlich daran, eHealth in das Pflege- und Gesundheitssystem zu integrieren?

Ich begleite seit mehr als 10 Jahren unterschiedliche Projekte innerhalb der Patientenversorgung, bei denen eHealth-Applikationen „light“ verwendet werden. Warum „light“, weil es sich im Grunde um klassische Content-Management-Systeme handelt, die Patienteninformationen, Anamnesedaten, Labordaten usw. digital an jedem klinischen bzw. Praxis-Arbeitsplatz bereitstellt, jedoch auch über Kommunikationsstandards verfügen, um z.B. intersektoral (zum Haus- oder Facharzt via eArztbrief oder Rehaeinrichtung oder Klinikum etc.) zu kommunizieren.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person

Sebastian Dost, 36 Jahre.

Bachelor of Arts in Public Health / Health Management

Master of Arts in eHealth / Health Economics

Zertifizierter Projektmanager nach Six Sigma (Green Belt)

Zertifizierter Social Media Manager

Derzeit als Geschäftsführer/Manager in einem Krankenhaus in Bremen tätig.

Nebentätig als Innovator, Creative & Consultant für Gesundheitsdienstleister und Versorgungseinrichtungen.

Seit über 10 Jahren im stationären Sektor (Krankenhaus) als auch im ambulanten Sektor (Kassenärztliche Vereinigung, Niedergelassene) tätig.

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