„Bedauerlicherweise herrscht Angst“ – Dr. med. Enise Lauterbach über die Zukunft von eHealth

In regelmäßigen Abständen befragen wir Experten zur Zukunft von Medizin und Pflege auf unserem Blog. Heute sprechen wir mit einer Person, die einen besonders interessanten Background hat: Dr. med Enise Lauterbach ist Fachärztin für Facharzt in Innere Medizin und Kardiologie, arbeitet aber nicht mehr in der Klinik, sondern kümmert sich um die Entwicklung digitaler Innovationen für das Gesundheitswesen.

Frau Lauterbach, für die meisten Experten ist eHealth alternativlos. Trotzdem sieht es in der Praxis oft anders aus. Was denken Sie: Wird sich eHealth in Pflege und Gesundheit in Kürze flächendeckend durchsetzen oder bleiben Pflege und Gesundheit Systeme, in denen Wandel nur schleichend seinen Durchbruch findet?

Die Digitalisierung in der Medizin ist nicht aufhaltbar und sie wird über kurz oder lang den Weg in das deutsche Gesundheitssystem finden. Mitnichten werden die Pflege bzw. die pflegerische Versorgungssituation davon ausgenommen sein. Das sollte nicht die eigentliche Frage sein. Vielmehr wie können wir eine erfolgreiche Transformation der analogen Prozesse im Sinne der Patienten, der Pflege, der Therapeuten und uns Ärzten erreichen? Eine Partizipation der genannten Akteure an der Gestaltung der digitalen Prozesse würde der Digitalisierung zu einem echten Erfolg verhelfen und diese wahnsinnig forcieren. eHealth ist dann nicht etwas, was einem passiert, sondern eHealth wird gestaltet mit all der langjährigen Expertise, dem praktischen Know-How, um den alltäglichen Anforderungen und den Bedürfnissen der Patienten und der im Gesundheitswesen Tätigen gerecht zu werden.

In welchem medizinischen Bereich sehen Sie den größten Nutzen von eHealth?

Als Digital Enthusiastin sage ich mal salopp: im großen Ganzen erkenne ich jetzt schon, wie sich in vielen Bereichen bereits ein großer Nutzen abzeichnet. Eines kann Digitalisierung jedoch nicht, persönliche Zuwendung, vertraute Kommunikation und Empathie, eine tröstende Hand oder Schulter sein. Das wird von Skeptikern dann oft als Argument angeführt, dass die persönliche Ebene wegfällt, wenn alles automatisiert ist und Digitalisierung das Ende der Zivilisation bedeutet. Bedauerlicherweise herrscht viel Unwissenheit und dadurch auch Angst was eHealth angeht.  Gerade hier kann eHealth durch Effektivität und Effizienz uns Zeit verschaffen, unserem zutiefst menschlichen Bedürfnis nach Zuwendung, Kommunikation, Nähe, Raum zu geben.

Wir sollten uns nichts vormachen, die Romantik einer Schwarzwaldklinik mit aufopfernden Schwestern, die stundenlang Zeit für die Patienten haben und der den ganzen Tag hin und her stolzierende Chefarzt, der sich mit weißem, wehenden Kittel hingebungsvoll seinen Patienten voller Aufmerksamkeit und Verständnis bei der Visite widmet, sind nicht existent.

Ich persönlich hoffe, dass Big Data uns den allergrößten Nutzen bringen wird, was die Prädiktion von Erkrankungen bzw. von bislang nicht erkannten Pathomechanismen einiger Erkrankungen angeht. Hier könnten wir bei schnellerem Erkennen schneller behandeln. Das würde so manchem Patienten in Zukunft das Leben retten.

Wie arbeiten Sie persönlich daran, eHealth in das Pflege- und Gesundheitssystem zu integrieren?

Die Not meiner Patienten mit Herzinsuffizienz brachte mich dazu, meine klinische Karriere diesen Sommer zu beenden, um eine digitale Lösung für eine bessere Versorgung dieser Patientengruppe zu entwickeln, ein Frühwarnsystem.

Zum anderen, zunehmend erschüttert über die katastrophale Kommunikationskultur zwischen den behandelnden Ärzten mit Folgen für Patienten und chaotischen Alltag in Arztpraxen und Krankenhäusern, habe ich einen sehr intelligenten Ärztemessenger entwickelt. Im Zeitalter der Digitalisierung werden Befunde per Post oder per Fax verschickt, was noch unglaublicher ist, bei Notfällen sogar per WhatsApp! Damit ist es hoffentlich bald vorbei.

Zur Person

Nach dem Studium der Humanmedizin in Mainz mit Abschluss im Jahr 2004 war Frau Dr. med. Enise Lauterbach zunächst bis Ende 2008 in der Uniklinik in Mainz als Assistenzärztin in der Kardiologie tätig. Inzwischen zweifache Mutter, machte sie im August 2012 ihren Facharzt in Innere Medizin und Kardiologie in Trier an der Mosel. Sie spezialisierte sich auf die Behandlung von Herzrhythmusstörungen mittels Katheterablation. Ihr Fokus lag auf der Behandlung von Vorhofflimmern mittels Pulmonalvenenisolation und der Behandlung von Herzinsuffizienz.

Ende März 2018 beendete sie ihre bis dahin klinische Tätigkeit in Akutkliniken. Sie nahm die Herausforderung an, eine ambulante kardiologische Rehabilitation in Trier zu etablieren und zu leiten. Ihre chefärztliche Tätigkeit kündigte Frau Dr. Lauterbach nach über einem Jahr zum Juli 2019, um dem Appell ihrer Patienten nachzukommen, eine digitale Behandlungsweise der Herzinsuffizienz zur Verbesserung der Versorgungssituation zu entwickeln. Mit der Gründung eines Digital Health Hub Triers unterstützt sie zudem die regionale Förderung der Digitalisierung im Gesundheitswesen sowie die Umsetzung digitaler Innovationen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung.

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